Sonntag, 9. Januar 2011

Heißes Pflaster Spanien

Die Winterpause hält noch an, weshalb kaum aktuelles Material aufzutreiben ist. Grund genug ein Thema anzupacken auf das wir im beitragsarmen Dezember mehrfach hingewiesen wurden: die Polizeiwillkür in Spanien, die zuletzt zahlreiche BVB-Anhänger zu spüren bekamen.

Um die Gedächtnisse aufzufrischen - das war passiert:

Am Stadion angekommen erwartete die vielen hundert Fans ein ca. 3 Meter breites Stadiontor. In der Folge kam es aufgrund der von hinten drängenden Fans (sie wurden von der Polizei voran getrieben) in den vorderen Reihen zu Drängeleien. Die Polizei fühlte sich anscheinend von der selbst provozierten Situation bedroht und ging direkt mit Knüppelhieben auf die Köpfe der Fans in den ersten Reihen vor. Die Situation eskalierte daraufhin mehrmals und die ersten Verletzten wurden in die hinteren Reihen durchgelassen.

Als die ersten Fans im Stadion waren, ging die Knüppelei im unteren Teil des Gästeblocks weiter. Die Situation entglitt der Polizei immer weiter und es kam zu weiteren Scharmützeln in deren Folge Sitzschalen und andere Gegenstände flogen. Viele unbeteiligte Fans wurden Opfer von Knüppelhieben der Polizei.
Vor dem Stadion blieb die Situation auch in jener Phase vollkommen undurchschaubar und kritisch. Die Polizei zog ihre Grenzen immer enger. Ab und zu pflügte dann der ein oder andere berittene Polizist mit seinem Pferd durch die Menge. (..)
So langsam schien sich die Lage zu entspannen, doch aus dem Inneren des Stadions ereilte die Fans außerhalb des Stadions ein Hilferuf aus dem Inneren. Eine kleine Anzahl an Fans wurde auch eine Stunde nach dem Abpfiff noch in Gewahrsam genommen und sollte vorerst auch nicht freigelassen werden. Die Verantwortlichen des BVB wurden kurzerhand des Blockes verwiesen und die gut 15 Festgenommenen wurden einer kleinen Einzelbehandlung unterzogen. Die Schreie der Malträtierten waren bis außerhalb des Blocks zu hören. Die menschenunwürdige Behandlung der BVB-Fans in Sevilla fand ihren Höhepunkt. Die festgesetzten Personen sollten ein Schnellverfahren erhalten. Das fand jedoch erst statt, als auch der letzte dieser Personen seinen Flieger in die Heimat verpasst hatte.

Quelle: schwatzgelb.de

Das Dortmunder Online-Fanzine schwatzgelb.de hat im folgenden vier erschütternde Erlebnisberichte von Betroffenen online gestellt.

Ein Tag Gefängnis in Sevilla I
Ein Tag Gefängnis in Sevilla II
Ein Tag Gefängnis in Sevilla III
Ein Tag Gefängnis in Sevilla IV

Was den Dortmundern widerfahren ist, ist keineswegs ein Einzelfall. Im Grunde wiederholen sich derartige Vorfälle rund um internationale Spiele auf spanischen Boden jedes Jahr. Besonders heftig erging es einem Frankfurter, der aufgrund eines Zusammenstoßes zwischen spanischen Polizisten und Frankfurtern in Celta Vigo 46 Tage im Gefängnis saß. Einigen Schalkern erging es ähnlich wie den Dortmundern, auch sie machten unangenehme Erfahrungen mit der spanischen Justiz und saßen für zwei Tage im Knast von Valencia.

Ergänzend noch ein paar Presseberichte aus dem europäischen Ausland:

Wenn man sich das alles so durch den Kopf gehen lässt, fragt man sich, mit welchem Recht wir Europäer mit dem Finger auf nicht EU-Staaten zeigen. Unfassbar was mitten in Europa in einem "demokratischen" Staat mit schöner Regelmäßigkeit passieren kann, ohne das sich jemand der Sache annimmt.

Schlimmer noch als den ausländischen Fußballfans ergeht es Spaniern, die unter dem Verdacht stehen z.B. die ETA zu unterstützen, wie heise.de im Artikel "Weil es Folter in Spanien angeblich nicht gibt, werden nun auch Bücher zum Thema zensiert" aktuell zu berichten weiß.

Dort heißt es:

Sonst kommt es nämlich oft zu den Erstickungsmethoden, Elektroschocks und Schlägen. Dazu werden auch Vergewaltigungen, vaginal oder anal mit Pistolenläufen, Knüppeln oder anderen Gegenständen praktiziert. Dazu kommt auch psychologische Folter, wie Scheinerschießungen, Schlafentzug und zum Beispiel die Drohungen, auch die Freunde oder Familienangehörige zu verhaften, um sie der gleichen Tortur zu unterziehen. Das alles geschieht zumeist in den ersten vier Tagen der Incomunicado-Haft, die bis zu 13 Tage verlängert werden kann. Das geschient meist nicht, um die Folter fortzusetzen, sondern damit Wunden verheilen und Beweise verschwinden, bevor der Geschundene freigelassen oder im Gefängnis abgeliefert wird.

Es scheint so als wäre zwar der faschistische Diktator Franco in den 1970er Jahren von der Bildfläche verschwunden, sein Erbe aber zumindest noch in Form durchgeknallter Polizeitruppen quicklebendig. Wen wundert es da noch, dass auch knapp 35 Jahre nach Ende der Diktatur immer noch der Leitspruch "Todo por la patria!" (Alles für das Vaterland!) an den Gemäuern der Guardia Civil - Wachen prangt.

Danke an Pawel, M. und Dennis

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